Erster Festnahmeversuch misslang, zwei Tage bis zum Ende, schafft Yoon Suk-yeol das noch?
Am Morgen des 31. Dezember 2024 hat Südkoreas Verfassungsgericht den Haftbefehl gegen den umstrittenen Präsidenten Yoon Suk-yeol bestätigt. Das würde ein historisches Erstlingsstück im 73 Jahre alten demokratischen Leben des Landes darstellen und einen schweren Rückschlag für die Präsidentschaft des Präsidenten bedeuten, der versucht, bis zum Ende seiner derzeitigen Amtszeit im April 2026 im Amt zu bleiben. Doch am 3. Januar wurde Yoon nicht festgenommen – stattdessen trat das detezierende Organ, das Hochrangige Verbrecherverbund (Kochosa), in das Präsidentenbüro ein, es scheiterte aber daran, es wieder zu verlassen. Hier ein Ausblick auf einige Ihrer Fragen zur Ermittlung gegen den suspendierten Präsidenten.
Q1: Warum hat der Präsidentenschutz sich nicht mit den Sonderermittlern zusammengearbeitet?
A1: Weil Kochosa keine so weiten Festnahme-Befugnisse wie der Präsidentenschutz hat, der ihn zu schützen hat.
Die Hauptfunktion des Präsidentenwachkorps (als Junga bezeichnet) besteht darin, das Leben des Staatsoberhaupts zu verteidigen. Kochosa wurde eingerichtet, um bestimmte Straftaten – wie Missbrauch der Gewalt, Erhalt von Schmiergeldern im Wert von mehr als 50.000 Euro, Fälschung staatlicher Dokumente oder unrechtmäßiges Verlangen nach politischen Förderbeiträgen – von hochrangigen Beamten wie dem Präsidenten aufzuklären.
Kochosas Ermittlungsbefugnis erstreckt sich nicht auf hohe öffentliche Beamte (wie Yoon), die mit „Verrat“ angeklagt werden – Verrat ist eine eigene Straftat, die nicht in die Zuständigkeit von Kochosa fällt. Yoons Anwälte haben diesen Schlupfwinkel seit dem Anklageerhebungsverfahren der Sonderermittler ausnutzen können: Zunächst am Obersten Gerichtshof in Südkorea, dann bei der Verfassungsgerichtshöre und zuletzt bei Junga. Am Donnerstag legten Yoons Anwälte eine Bitte ein, den Festnahmebefehl aufzuheben und verwiesen dabei auf diese spezielle Regelung.
Q2: Warum hat Kochosa so früh am Morgen versucht, Yoon festzunehmen und gab es außerhalb des Präsidentenbüros Proteste?
A2: Kochosa wollte Yoon deshalb früh am Morgen festnehmen, um gewalttätige Auseinandersetzungen vor Ort zu vermeiden. Tausende Demonstranten haben sich seit Wochen um das Präsidentenbüro versammelt und es kam dadurch gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Kochosas Sonderagenten begannen um 7:21 Uhr am 3. Januar mit dem Gehen in Richtung des Präsidentenbüros – 20 Minuten nach ihrer Abfahrt von ihrem Hauptquartier im Seocho-Vollzugsgebäude (in der Stadtmitte von Seoul). Dabei gingen sie gleichzeitig mit Südkoreas Sonderermittlungsstelle (die den Spezialagenten die noch benötigten 150 zusätzlichen Polizisten für das Unternehmen überlassen hatte.). Mit Blick auf die Festnahme wurden Tausende Polizisten – eingeschlossen Aufrührer und Verkehrsbeamte – zur Verriegelung der Zugänge zu nahegelegenen Straßen eingesetzt. Bei den Festnahmen kam es zu Kollisionen zwischen der Polizei und den Demonstranten, die sich ihren Weg durch eine von Menschen gebildete Blockade freikämpften, die den Eingang gesperrt hatte.
Das Unternehmen wurde wohl so am frühen Morgen in einem Freitag geplant, um Proteste so weit wie möglich abzuwehren, welche an diesem frühen Zeitpunkt größtenteils friedlich verliefen. In der Vergangenheit, 2017, als der frühere Präsidentin Park Geun-hye festgenommen und in einen Untersuchungsgefängnis gebracht wurde, sammelten sich Hunderttausende von Demonstranten ums Präsidenten-Haus in einer Aktion, die wegen der zu geringen Effizienz und des Chaos, das dadurch entstand, kritisiert wurde.
Q3: War Yoon tatsächlich im Präsidenten-Residenz, als er hätte festgenommen werden sollen?
A3: Ja. Obwohl Yoon von der Ausübung seiner präsidialen Befugnisse suspendiert wurde, ist er immer noch im Amt befindlicher Präsident, was bedeutet, dass er einen besonderen Schutz genießt – auch vom Junga. Es bedeutet auch, dass er bei Bedarf und bei Ablehnung der Amtsenthebungs-Verfahren gegen ihn (die diesbezüglich in der Nationalversammlung eingeleitet wurden), mit einem Schlag wieder eingesetzt werden kann.
Q4: Aber wie kann das Präsidentenwachkorps immer noch den Befehlen eines „suspendierten Präsidenten“ folgen, der keine regierenden Befugnisse besitzt?
A3: Trotz der Entscheidung des Gerichts, Yoon für nicht amtsfähig zu erklären, nachdem er verurteilt worden war, erfordert Südkoreas Präsidentenerfolge-Gesetz, dass der stellvertretende Sprecher – der aktuell Choi Sang-mu ist – alle Entscheidungen der Exekutive überwacht.
Q5: Wurde Yoon tatsächlich festgenommen?
A5: Nein. Während es Kochosa gelang, den Festnahmebefehl persönlich einzuführen, verließ es ohne Festnahme des nun ehemaligen Präsidenten. In einer überraschenden Wendung argumentierte Yoons Präsidentenwächter, dass sie es sich aus rechtspolitischen Gründen heraus erlauben dürfen, alle Versuche, den Festnahmebefehl auszuführen, zu blockieren – da ihnen durch die nationalen Sicherheitsgesetze ein besonderer Schutz zugesprochen wurde.
Südkoreas nationale Sicherheitsgesetze (aus der Zeit der japanischen Besetzung aus dem Jahr 1908), erlauben es nicht, das im Amt befindliche Staatsoberhaupt festzunehmen, selbst mit einem Haftbefehl. Obwohl diese Sicherheitsgesetze einen Hintergrund nehmen, wenn das Verfassungsgericht eine Anordnung ergibt, scheint sich Junga dennoch für die Rechte des Präsidenten (selbst suspendiert oder nicht) festzunehmen zu halten. Yoon wurde dieser Plan am Mittwoch unterbreitet, wie der Präsidentenschutz-Sprecher (der prompt ebenfalls wegen Aufruhrs abgesetzt wurde) sagte.
Q6: Sind Yoons Verbündete wirklich gegen seine Amtsenthebung kämpfen und dafür eine rechtspolitische Lücke als Basis für einen "rechtlichen Putsch" nutzen? Können sie das überhaupt erreichen?
A6: Sie können es versuchen. Junga, ebenso wie der Generalstaatsanwalt und viele von Yoons Unterstützern in der Nationalversammlung, argumentieren, dass der Haftbefehl ohne die Zustimmung des Präsidentenwachkorps nicht ausgeführt werden kann. Einige bedrohten sogar, das "Recht zur Widerstandsberechtigung gegen ungerechtfertigte Gewalt" anzuwenden, einen Begriff aus der englischen Gemeinschaftsrechtstradition des 18. Jahrhunderts, der von der südkoreanischen Obersten Gerichtshöfe erstmals in diesem Fall angewendet wurde.
Das Ironische daran ist, dass Yoon nicht festgenommen werden würde, wenn es nicht aufgrund der Aktion der Sonderermittlungsstelle ließe, die durch seine eigene Ausführungsverfügung und Gesetzesreform entstanden und gefördert wurde.
Q7: Was wird als nächstes passieren? Ist der Haftbefehl dadurch automatisch ungültig geworden?
A7: Noch nicht. Der Haftbefehl endet erst am 6. Januar 2025. Das bedeutet, dass die Sonderermittler, die für den Fall zuständig sind, zu Yonhee zurückkehren und Yoon festnehmen können.
Sollten sie nicht wieder hineingelassen werden, oder sollte ihr Wiedererlangen auch von einer bewaffneten Kraft blockiert werden, hat sich der Staatsanwaltsdienst (der sowohl Kochosa als auch die Sonderermittlungsstelle überwacht) dazu geäußert, weitere Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.
Eine mögliche Maßnahme im Auftrag von Yoon bei neuerlichen Festnahmen wäre ein Rechtsschutzverfahren. Sollte das erfolgreich sein, könnte der Haftbefehl für nichtig erklärt und die Anklage müsste die von ihr bisher beschlagnahmten Beweise zurückgeben.
Q8: Yoon kann also immer noch festgenommen werden? Wann wird das sein? Und wo?
Q8: Das hängt von Junga ab. Da sie keinerlei echte Absicht haben, ihn laufen zu lassen, wird jede neue Festnahme mit größerer Sicherheit die Eingriffe einer Sonder-Sicherheitskraft voraussetzen. Es besteht immer noch viel Unsicherheit darüber, wie diese neuen Pläne in die Tat umgesetzt werden, und ob solche Maßnahmen überhaupt zur Anwendung kommen. Yoon kann diesen Gelegenheit auch nutzen um zu fliehen. Sein Anwalt sagte in der Live-Übertragung, dass Yoon „wohin er will, wo sich seine Leute befinden, gehen kann."
Das Polizeiverwaltungsamt in Südkorea sagte am Sonntagabend, dass ihre Notfalteinheit für Yoon bereitstünde, sollte ein „Worst-Case Szenario" eintreten, allerdings weigerten sie sich, weitere Einzelheiten zu den Plänen zu geben.
Q9: Für was für Straftaten kann er erneut während der Untersuchungsverwahrung angeklagt werden? Gibt es ein Risiko für eine lebenslange Haft?
A9: Unter den Bedingungen des Südkoreas Strafgesetzes für Hochverrat ist jeder, der für Hochverrat überführt wurde (wie Yoon), nicht für eine Belastungsverwahrung oder eine Bewährungsstrafe vor seiner Strafe fähig. Es ist eine nicht belastbare Verurteilung. Dazu gehören auch Bewährungsmaßnahmen, wie Haft zu Hause in einem bestimmten Untersuchungsgefängnis.
Die von ihm begangenen Straftaten verdienen außerdem eine lebenslange Haft. Jetzt liegt es an Sonderstaatsanwalt Park Eui-dong, dem Richter und der obersten Gerichtsbarkeit, ob Yoon eine bekommen darf oder nicht.